«Schloss Kiesen»    2008 - 2011

Chantal Michel hat sich auf Schloss Kiesen bei Thun, ein echtes Kunstreich geschaffen. Mit Foto- und Videoinstallationen, Möbeln und Requisiten hat sie die Räume inszeniert und wird selbst Teil ihres Gesamtkunstwerks.


Auf einem Hügel hinter Bäumen liegt es versteckt, das Schloss Kiesen. Seit 25 Jahren ist es unbewohnt. Doch Chantal Michel hat dem leerstehenden Haus mit ihrer Kunst neues Leben eingehaucht. Mit dem Gang durch das grosse Tor, beginnt die Reise in eine andere Welt, eine sinnliche Reise voller Bilder, Gerüchen und Klängen. Eine Reise in die Vergangenheit, ein Kunstreich, geschaffen von Chantal Michel. Schon der moosige Schlossteich verrät, dass die Zeit auf dem Anwesen seine Spuren hinterlassen hat.

Der Diener an der schweren Eichentür der die Gäste am Eingang begrüsst, scheint sich aus einem vergangenen Jahrhundert in die Gegenwart verirrt zu haben. Noch bevor man sich versieht und an die spezielle Atmosphäre, die kühle Luft und den eigenartigen Geruch gewöhnt hat, steht sie plötzlich da, Chantal Michel und führt uns durch ihr Reich.

Mit speziell für die Räumlichkeiten angefertigten Foto- und Videoarbeiten inszeniert sie traum- und alptraumhafte Geschichten in den rund zwanzig Gemächern und versetzt die Besucher auf Schritt und Tritt in andere Welten und Epochen.

Auch erweitert sie die Ausstellung mit einem vielfältigen Rahmenprogramm, in denen Gastauftritte eingeladener Künstler und festliche Diners stattfinden. Auf diese Weise verschmelzen verschiedene Bereiche zu einem atmosphärischen Gesamtkunstwerk, in dem sie lebt, arbeitet, ausstellt und Gäste bewirtet.

Mit einfachsten Mitteln hat sie das Haus eingerichtet und wieder bewohnbar gemacht. Sessel, Teppiche und Lampen hat sie aus Brockenhäusern und ausrangierten Hotels hergeschafft. Ihre Fotografien fügen sich perfekt in das Interieur ein - als hätte das Schloss auf seine Bespielung gewartet.

Ein buntgemischtes Publikum lässt sich jeweils am Wochenende auf dieses sinnliche Erlebnis ein.



Stets weiss die findige Künstlerin neue Dialoge zwischen Zeit, Räumen, Gegenständen, Traum und Wirklichkeit zu schaffen.

Ihre Wohnung und ihr Privatleben verschmelzen mit der Kunst und der Öffentlichkeit.

Im Märchenschloss ist nichts dem Zufall überlassen. Der Teppich passt zur Tapete und das Kleid auf dem Foto zum Vorhang. Jedes Detail stimmt, was die Künstlerin als Ästhetin, Perfektionistin und unermüdliche Schafferin zeigt.


Die noblen Herren aus vergangenen Zeiten scheinen schon immer da gewesen zu sein.



Anmutig, fast andächtig schreitet die Schlossherrin den Gästen voraus durch Gänge gesäumt von Lampenschirmen - oder sind es Wunderblumen?


Im ersten Stock ist es düster. Kein Tageslicht dringt herein. Die Fenster sind abgedunkelt, sodass das Gefühl noch verstärkt wird, man befinde sich in einer anderen Welt.

Im Dämmerlicht schreitet man nach oben, weiter von Raum zu Raum.



Wer keine Angst vor Schlossgespenstern hat darf im inszenierten Hotelzimmer nächtigen und morgens mit der Künstlerin im grossen Salon frühstücken.

Die Videoprojektionen auf denen meist die Künstlerin selbst in unterschiedlichen Frauenfiguren erscheint, wirken wie eine Momentaufnahme - als würden sie das flüchtige Aufscheinen einer anderen Wirklichkeit einfangen.


Unwillkürlich fragt man sich: Wo hört die reale Welt auf und wo beginnt die imaginäre Welt der Fotografie? Die Künstlerin zelebriert das Zusammenspiel der realen Räumlichkeit mit ihren Fotografien und Videoprojektionen.


Chantal Michel hat sich ihre eigene Welt kreiert, inszeniert sich in den ausgestellten Arbeiten immer selbst und ist so in jedem Raum als eine Andere gegenwärtig.


Das Haus atmet Geschichten aus die einen in den Bann ziehen, so auch eines der insgesamt sieben Badezimmer. Hier empfängt den Besucher ein süsslicher Duft - von weither kindlicher Singsang - ein melancholisch eigenartiges Gefühl.

Im Nebenzimmer machen sich die Schlossgeister durch Gemurmel bemerkbar. Etwas mulmig ist einem schon zu Mute. Man fröstelt. Eine Schar Vögel hat es sich auf dem Bett versammelt. Ein regelrechtes Vogelnest, darüber thront Chantal Michel selbst als eine Art Vogelgöttin.

Jeder Raum erscheint wie eine Bühne oder eine Szene aus einem imaginären Film.






Die Zeit im Märchenreich vergeht im Fluge. Schon bald wird an einer grossen Tafel im Garten diniert. Die Schlossherrin bekocht ihre Gäste höchstpersönlich.

Mit ihren Diners will Chantal Michel Menschen zusammenbringen. Einen Ort schaffen wo sich die Besucher wohlfühlen und ihre Ängste vor dem Unbekannten verlieren.

Insgesamt fünfhundert freiwillige Helferinnen und Helfer standen der Schlossherrin an den Wochenenden im Service bei. Ein abwechslungsreiches und beliebtes Rollenspiel mit Stil.

Im verfallenen Treibhaus mit verrostetem Gartenwerkzeug, umwuchert von Moos und Unkraut, dröhnt aus einer Ecke schallendes Gelächter, über der Tür die Worte: "Und der Tod streckte seine lange Hand aus nach der kleinen Blume."


Schloss Kiesen - ein poetischer Ort am Rande unseres Bewusstseins, eine Reise die unsere Wahrnehmung der realen Welt in Frage stellt.

Wenn am Sonntagabend die letzten Besucher das Schloss verlassen, getraut sich Georges aus seinem Versteck. Georges lebt im Schlossgarten in einem Militärfunkwagen von 1940, er ist was man einen Asozialen nennt, ist Alkoholiker und Chaot, aber liebenswürdig und sensibel - doch kein Besucher hat ihn je gesehen.


So viel Chantal Michel auch von sich zeigt, sie behält trotzdem etwas faszinierend Geheimnisvolles an sich so wie das Schloss selbst auch. Man kann gespannt sein an welchen Ort sie uns als nächstes entführt.



Sonderveranstaltung 2009

26. Juni Guy Krneta, Schriftsteller
10. Juli Didier Cattoën, lecture-performance
17. Juli Händel Klaus, Schriftsteller
24. Juli Anna Huber, Tanz
14. Aug. Chantal Michel, «dîner blanc»
21. Aug. Nadja Stoller, Stimme, Loops, Geräte
28. Aug. Rachel Harnisch, Sopran
02. Okt. Alexandre Dubach, Violinist

Sonderveranstaltung 2010

06. Aug. Cécile Keller, Tanz-Theater
10. Aug. Chantal Michel, «dîner blanc»
17. Aug. Gabriela Haueter, Solo-Tanzstück
24. Sept. Anna Huber, Tanz
14. Sept. Chantal Michel, «dîner noir»
21. Okt. Chantal Michel, «dîner rouge»
02. Okt. Soirée cinématographique, präsentiert von Thomas Pfister


Das Personal Schloss Kiesen 2008 - 2011